Johann Sebastian Bach und das 20. Jahrhundert. Bayer-Cadenza CAD 800913
Bratschenrecital von Vidor Nagy
Ein Dialog der Jahrhunderte
Von Bach selbst oder einem ihm nahe stehenden Kollegen existieren Bearbeitungen der Fugen seiner ersten und zweiten Sonate für Violine solo. So ist wenig dagegen zu sagen, wenn Vidor Nagy, Solobratscher beim Stuttgarter Staatsorchester, einzelne Sätze dieser Sonaten und Partiten aus BWV 1001, 1003, 1004 und 1005 für sein Instrument okkupiert hat. Zumal da er sich für seine 75-Minuten-CD eine unkonventionelle Programmzusammenstellung hat einfallen lassen. Er kontrastiert sie mit Arbeiten von vier zeitgenössischen Komponisten: Bernd Alois Zimmermann (Sonate für Viola solo), Krzysztof Penderecki (Cadenza für Viola solo), Béla Bartók (Fuga aus der Sonate für Violine solo) und György Ligeti (Chaconne chromatique aus der Sonate für Viola solo).
So führt er einen Dialog zwischen den Zeiten; sozusagen mit dem einen Fuß auf dem sicheren Boden der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert stehend, den anderen auf dem wesentlich unebeneren Terrain der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts platziert, mit leidenschaftlichem Elan, voluminösen Ton und polierter Technik: ein eloquenter Talkmaster der musikalischen Klangrede. Und so überzeugend, dass man sich wünscht, er hätte auch noch Platz gefunden für den mit der Bratsche am meisten sympathisierenden Komponisten des zurückliegenden Säkulums: Paul Hindemith.
Horst Koegler, Stuttgarter Zeitung 31.10.2001